COLOREDGE REFERENZ

Momente, die es wert sind

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Im Alter von 54 Jahren erkrankte der Vater der Fotografin Lilli Nass an Alzheimer. Die Berlinerin entschloss, die Krankheit ihres Vaters fotografisch zu verarbeiten. Mit der daraus entstandenen Serie „cursare“ nahm sie am Neuen Nachwuchsförderpreis des BFF teil und gewann den ersten Platz. Als Hauptpreis des Wettbewerbs konnte sich Nass über einen ColorEdge CG2700X-Monitor freuen. Hier gibt sie uns Einblicke in die Entstehung der Serie und ihre fotografische Arbeit.

Anfang

„cursare“ ist das lateinische Wort für „hin und her laufen“, eine typische Verhaltens-weise von Demenzerkrankten, die oft einen starken Bewegungsdrang haben. Sie tritt oft zusammen mit dem „Nesteln“ an Kleidung und kleinen Gegenständen auf. Eine für Außenstehende scheinbar sinnlose Tätigkeit, die aber dem Kranken eine neue Ebene der Wahrnehmung öffnet und ihm möglicherweise Halt gibt. So erklärt sich, warum Lilli Nass ihre Arbeit über die Demenzerkrankung ihres Vaters so genannt hat. Als er die Diagnose bekam, war er gerade einmal 54 Jahre alt, Nass war 19. 

Die Keimzelle von Nass‘ Serie waren drei analoge Bilder, aufgenommen mit einer 6 x 6-Mittelformatkamera von Zenza Bronica. 18 Monate lang lagen diese drei Bilder in der Schublade, bis sich Nass entschloss, sich mit einer Serie zum Thema Demenz für den Neuen Nachwuchsförderpreis des BFF zu bewerben. Zuvor tauschte sie sich intensiv mit ihrer Mutter darüber aus, ob und wie man die Erkrankung des Vaters öffentlich thematisieren kann. Ihr Vater war zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr in der Lage, diese Entscheidung selbst zu treffen. Am letzten Tag der Bewerbungsfrist stand die Entscheidung, ein Bewerbungskonzept einzureichen. Nach zehn intensiven Stunden am Rechner war es fertig und abgeschickt.

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Finale

Nass konnte damit einen wichtigen Etappensieg erzielen: Zusammen mit elf weiteren Finalistinnen und Finalisten der Endrunde wurde Nass zu einem Workshop nach Hamburg eingeladen. Dort wurde zusammen mit ihrem persönlichen Mentor Maximilian König sowie den anderen Mentorinnen und Mentoren sowie Finalistinnen und Finalisten an den Konzepten gearbeitet. Danach ging es in die Umsetzungsphase. „Das war gar nicht so leicht, da meine Eltern im Dezember in einer Reha waren, wodurch ich erst im Januar mit der Umsetzung anfangen konnte“, berichtet Nass.

Analoges Mittelformat

Fotografiert hat Nass die Serie mit dem analogen Mittelformat auf Kodak-Portra-400-Film. „Ich wollte analog arbeiten, um mich zu zwingen, sorgfältig zu sein. Einerseits, um wirklich nur die Momente festzuhalten, die es wert sind. Andererseits wollte ich meinem Vater bei einer solch intimen Serie den gebührenden Respekt zollen“, erklärt Nass ihre Kamerawahl. Im Mittelformat entstehen die Bilder quadratisch. Das versteht Nass als Vorteil.

Im ersten Workshop und in der Umsetzungsphase stellte sich immer wieder die Frage, wie man sich dem Thema Demenz am besten fotografisch nähern kann. Zwei Sichtweisen hatten sich herauskristallisiert: Einerseits stellten sich die Gegenstände, mit denen sich Nass‘ Vater gerne beschäftigt und bei denen er das typische „Nesteln“ zeigt sowie weitere Detailaufnahmen als zentrale Motive heraus. Andererseits entstanden zahlreiche Stillleben von realen Situationen, wie z. B. vom Nachttisch ihres Vaters, sowie einige Portraitaufnahmen. Hier eine gute Balance und einen roten Faden zu finden, war die Hauptaufgabe bei einem weiteren Workshop im März in Zingst. Hier galt es dann, die fotografierte Serie für die finale Abgabe zur Jurywertung fertigzustellen.

Gewonnen

Auch hier scheinen Nass und Mentor König ein gutes Händchen gehabt zu haben. Schließlich wurde Nass‘ Arbeit mit dem ersten Preis ausgezeichnet. Nass‘ Fotoserie besteht aus zahlreichen Close-up-Aufnahmen, Situationen und Beobachtungen, die es dem Betrachter ermöglichen, ein Gefühl für die Welt eines demenzkranken Menschen zu bekommen. Nass zeigt scheinbar willkürlich Gegenstände wie einen kleinen, schwarzen Maiskolben oder den Schuhlöffel und einen Bleistift, den ihr Vater gerne in seiner Hosentasche mit sich herumträgt und betastet. Sie zeigt vorwiegend eng beschnittene Aufnahmen der Hand oder des Gesichts ihres Vaters. Generell sind Nass‘ Bilder sehr verdichtet.

Ein anderes Bild zeigt, wie Nass‘ Vater an einer sauberen Stelle des Teppichs herum-nestelt, während zehn Zentimeter weiter ein Krümel liegt. Weitere Bilder zeigen eher stilllebenartig Ausschnitte aus dem Lebensraum von Nass‘ Vater, so z. B. den Nachttisch mit dem Portrait der Mutter und einem Familienbild oder ein Portrait, bei dem Nass‘ Vater von hinten fotografiert in die Weite blickt. „Mein Ziel war es, mich in die Innenperspektive meines Vaters hin-einzunehmen und mir die Frage zu stellen, wie er seine Welt wahrnimmt“, so beschreibt Nass ihre Herangehensweise. Diesem Anspruch konnte sie nicht nur nach Meinung der Jury voll gerecht werden. Mit ihren Bildern bietet Nass dem Betrachter zahlreiche Anknüpfungspunkte an, um sich in die Welt eines demenzkranken Menschen hineinzudenken. Eine Welt, die oft aus Verwirrung, Verlorenheit, Einsamkeit und Ritualen zu bestehen scheint. Eine Welt, in der, wenn überhaupt, das lange zu-rückliegende Vergangene noch präsent ist.

„Mein Vater erkennt uns schon lange nicht mehr“, erklärt Nass. „Aber er weiß, dass wir uns nahestehen, und verhält sich zu uns anders als zu Fremden.“ Für Nass ist die Arbeit an ihrer Fotoserie auch eine Hilfe, mit der Erkrankung ihres Vaters umzugehen. Mittlerweile ist seine Erkrankung so weit fortgeschritten, dass er in einem Heim wohnt und stark pflegebedürftig ist.

ColorEdge CG2700X

Als Sachpreis durfte Lilli Nass sich über einen Monitor freuen. Der neue 4K-Profimonitor ColorEdge CG2700X von Eizo ist ihr seitdem eine große Hilfe: „EIZO hat der Schule zwar auch zwei neue Geräte für unsere Abschlussausstellung zur Verfügung gestellt, aber es ist schon grandios, einen eigenen ColorEdge-Monitor zu Hause zu haben“, berichtet Nass sichtlich begeistert und er-klärt weiter: „Man merkt erst, wenn man einen ColorEdge hat, was man verpasst hat.“ Dieses drücke sich vor allem durch den absolut präzisen Blick auf die Datei aus. Nass kann so Bilder für den Druck optimal aufbereiten und sich darauf verlassen, dass diese auch genauso aus dem Drucker kommen. „Ich verbrauche seitdem viel weniger Papier. Außerdem sorgt die integrierte Kalibrierung dafür, dass der Monitor dauerhaft perfekt kalibriert ist“, sagt Nass und zeigt sich sehr zufrieden.

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Zukunft

Mit dem Gewinn des Neuen Nachwuchsförderpreises ist die Serie für Nass jedoch noch nicht abgeschlossen. Sie arbeitet weiter an ihr und entwickelt sie stetig weiter.

Standen zu Beginn eher die Detailaufnahmen im Vordergrund, nehmen mittlerweile Stillleben und Portraits einen größeren Raum ein. Nass plant, „cursare“ als Abschlussarbeit ihres Studiums an der Ost-kreuzschule für Fotografie einzureichen und später als Buch zu veröffentlichen. Ihre berufliche Zukunft sieht Nass im Bereich der Magazin- und Portraitfotografie.

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Lilli Nass

Während eines freiwilligen sozialen Jahres an der Berliner Volksbühne hatte sie zahlreiche Möglichkeiten, sich fotografisch weiterzuentwickeln. In diesem Jahr schließt sie ihr Studium an der Ostkreuzschule für Fotografie in Berlin ab.

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